Anlage zur Pressemitteilung der AML vom 7. September 2018

Preisträger des Rundfunkpreises Mitteldeutschland 2018 – Bürgermedien Hörfunk und Fernsehen

Kategorie „Bester Beitrag Nachwuchs - Hörfunk“

1. Preis (1.500 Euro)
Lilly Nerenz „Das alte Planetarium – Abriss der Ostmoderne“, Radio Corax Halle

Eigentlich ein ganz gewöhnlicher Vorgang: Ein altes Gebäude, obendrein durch Wassereinwirkung stark beschädigt, wurde abgerissen und soll durch ein neues Bauwerk an anderer Stelle ersetzt werden. Der Beitrag macht jedoch deutlich, dass es sich dabei um ein architektonisch höchst interessantes, für Generationen von Schülern und interessierten Erwachsenen prägendes, ein für die Stadt Halle einmaliges und im regionalen Bewusstsein durchaus verankertes Stück Identität handelte. Bericht und Interviews fangen dieses Spannungsfeld wunderbar atmosphärisch ein und machen deutlich, was es für uns heute ist: ein unwiederbringlicher Verlust, der nur durch persönliche Initiative von Betroffenen etwas gemildert wird, indem wenigstens einzelne Bestandteile gesichert werden. Dass es hier um ein spürbares Interesse junger Leute an der unmittelbaren Vergangenheit geht, macht den Beitrag obendrein wertvoll.

Nominierte Beiträge (jeweils 250 Euro)
Lisa Marie Grimm „Stadt- oder Landleben?“, SAEK Webradio
und
Emily Gesell & der Jugendclub „Red Cube“ „Politik zum Anfassen“, Wartburg-Radio 96,5 Eisenach

Kategorie „Bester Beitrag Nachwuchs - Fernsehen“

1. Preis (1.500 Euro)
Workshopgruppe „Film“ unter Leitung von Steffi Liedtke „Bin ich Ich?“, SAEK Plauen im SAEK-Fenster/Sachsen Fernsehen

Alles ist neu. Man kennt niemanden und keiner nimmt einen wahr. Wird das anders, wenn man so wird wie die anderen? In ruhigen, konzentrierten Bildern erzählt der Kurzfilm "Bin ich Ich?", die Geschichte einer Anpassung an das in einem bestimmten Lebensraum herrschende Lebensklima. Doch es gibt kein Happy End, am Ende ist die Leere, auch weil, wenngleich als letztes Mittel, das äußere Symbol einer Gemeinschafts­zugehörigkeit, das Kreuz, abgelegt wird.

Der Darstellerin des jungen Mädchens, welches versucht in der neuen Umgebung, weg von der Familie, den bisherigen Freunden und der kirchlichen Gemeinschaft anzukommen, gelingt es auf sehr beein­druckende Weise und mit sparsamen Gesten die Geschichte zu erzählen. Die Regie schafft es, an Hand eines Einzelschicksals ein Stimmungsbild der heutigen Gesellschaft einzufangen und den Zuschauer zu veran­lassen, darüber nachdenken zu müssen, da der Kurzfilm keine Antwort gibt.

Nominierte Beiträge (jeweils 250 Euro)
Staatliche Grundschule Udestedt unter Leitung von Thomas Resch „Tammy Blue“, Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Erfurt
und
Christine ten Venne „La Couleur du Coeur/Rengê di/Die Farbe des Herzens“, Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Gera

Kategorie „Bester Beitrag Erwachsene - Hörfunk“

1. Preis (1.500 Euro)
Laura Gieß „Gutmensch“, Wartburg-Radio 96,5 Eisenach

Es gibt Begriffe, die immer wieder überall auftauchen, so dass man glaubt, alles darüber zu wissen. Sie werden benutzt zum Beleidigen oder um das Gegenüber zum Schweigen zu bringen. Und sie wurden gefühlt genauso oft verteidigt und erklärt. Ein solcher Begriff ist „Gutmensch“. In dem hier vorliegenden Beitrag ist es dennoch gelungen, diesen „abgenutzten“ Begriff von überraschenden Seiten neu zu sehen. Darüber hinaus wurden die Möglichkeiten des Radios auf wunderbare Weise genutzt, um dieses Ziel zu erreichen. Und das nicht nur textlich – in Kommentaren und Umfragen – nein, auch die Musik wurde durchdacht eingesetzt. Der professionelle Gesamteindruck und der Mut, ein Thema aufzugreifen, bei dem viele Journalisten abwinken, haben die Jury überzeugt.

Nominierte Beiträge (jeweils 250 Euro)
David Seeberg „Geächtet“, mephisto 97.6 in Leipzig
und
Bassam Alhassan „Welttag der Minenaufklärung“, Radio Corax Halle

Kategorie „Bester Beitrag Erwachsene - Fernsehen“

1. Preis (1.500 Euro)
Carsten Damm „Kopfsache“, Offener Kanal Dessau

Mündliche Leistungskontrolle - es gibt kaum etwas, das Schülerinnen und Schülern mehr Kopf- und Bauchschmerzen bereitet als eben diese. Jeder könnte der nächste sein! Jeder möchte am liebsten fliehen! Aber wohin? Mit eindrucksvollen Kameraeinstellungen und -bewegungen, tollem Sound und feinen Effekten zeigt Carsten Damm die fantasievollen Fluchtversuche der Schülerinnen und Schüler. Die schauspielerischen Fähigkeiten der jungen Darstellerinnen und Darsteller stehen den famosen Bildern in nichts nach. Kinofeeling pur - dieser Film hat die Jury begeistert.

Nominierte Beiträge (jeweils 250 Euro)
Luisa Ost „Die wunderbare Welt der Bienen“, Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Erfurt
und
Levan Sudadze „Dead-End“, Offener Kanal Merseburg

Kategorie Sonderthema „Senioren in Bürgermedien“ (je 500 Euro) 

Hörfunk
Günter Platzdasch „Trotzdem Kommunistin: Aus dem GULAG in die DDR“,
Radio OKJ 103,4 in Jena

Mit diesem Beitrag erinnert der Autor an die millionenfachen Schicksale von Opfern des Stalin-Kommunismus, wie sie inzwischen vielfach eindrucksvoll thematisiert worden sind. Nur: Hier geht es nicht um anonyme Opfer und es bleibt unklar, inwieweit sich Adele Schiffmann überhaupt als ein solches sah, obwohl in der Stalinzeit ihre gesamte Familie umgebracht wurde. Immerhin war sie seit ihrer Rückkehr aus der Sowjetunion im Jahre 1961 Leiterin eines Kurheimes in Bad Liebenstein, erlebte im hohen Alter den Niedergang der DDR und verblieb dennoch in der PDS. Eine Anerkennung als Opfer des Stalinismus blieb ihr in der Bundesrepublik versagt. Die Darstellung ihres eindrucksvollen Schicksals ist mit Original­einblendungen von Liedern und Zitaten handwerklich hervorragend gemacht und hinterlässt einen überaus nachdenklichen Hörer.

Fernsehen
Werner Harke „Ich will wissen, was ich esse“,
Offener Kanal Salzwedel

Ein Schwein wird geschlachtet. Und verarbeitet. Werner Harke begleitet eine Hausschlachtung filmisch. Der Zuschauer erfährt neben hygienischen und rechtlichen Rahmenfakten alles Wesentliche über die handwerkliche Produktion von Fleisch- und Wurstprodukten. In unserer heutigen Zeit - mit zum Teil überhitzten Diskussionen zu den Themen Fleisch und Ernährung - gelingt es dem Beitrag, mit sachlichen und unprätentiösen Bildern dem Zuschauer zu begegnen. „Ich will wissen, was ich esse“ zeigt, dass die Wurst nicht im Supermarktregal wächst.

LÄNDERPREISE SACHSEN (je 500 Euro) 

Hörfunk
Hannelore Hoffmann „Was ist Heimat?“,
SAEK Dresden 

Was ist Heimat? Eine nicht leicht zu beantwortende Frage, auf die Hannelore Hoffmann und ihre Kolleginnen und Kollegen der Seniorenredaktion beim SAEK Dresden Antworten suchen. Dies gelingt ihnen, indem sie nach Erinnerungen und Definitionen suchen, auf der Straße, im Freundes- und Bekanntenkreis und natürlich auch im Internet. Die dabei entstandene Sendung schafft einen anrührenden, menschlichen und gut recherchierten Rahmen, in dem unterschiedliche Sichtweisen auf den Heimatbegriff, der sich in ständiger Diskussion befindet, konkretisiert werden. Ganz nebenbei leistet die Sendung selbst einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Vergewisserung des eigenen Standpunktes und ist damit ein hervorragendes Beispiel für die Leistungsfähigkeit des lokal verankerten Bürgerfunks.

Fernsehen
Benedict Bartsch „Graffiti – Kunst oder Schmiererei?“,
SAEK Dresden im SAEK-Fenster/Sachsen Fernsehen

Eine kleine, feine fünfeinhalbminütige Reportage, deren Thematik nicht nur junge Menschen interessieren dürfte. Benedict Bartsch macht sich auf den Weg. Er interviewt einen Graffiti-Künstler, klärt über Legal Plains auf und nimmt die Farbe selbst in die Hand. Am Ende kommt auch noch ein illegal Sprühender zu Wort. Bildästhetik und Sound erinnern im besten Sinne an TV-Vorbilder. Einfach fresh!

LÄNDERPREISE SACHSEN-ANHALT (je 500 Euro)

Hörfunk
Lorenz Pfützenreuter „Nutrias am Saaleufer“,
Radio Corax Halle

Die Nutrias - auch Myocastor Coypus genannt - sind an der Saale heimisch und fast schon ein Besuchermagnet. Aber: Sind sie eigentlich schädlich? Sollte man sie füttern? Oder eher bejagen? Auf all diese Fragen lässt Lorenz Pfützenreuter seine Protagonisten antworten - die Anwohner und Besucher. Das herrliche Potpourri aus O-Tönen verleiht dem Ganzen eine wunderbar leichte und abwechslungsreiche Note. Der Beitrag hat uns neugierig gemacht, noch mehr über Nutrias erfahren zu wollen. Und wenn noch einmal jemand „Biber“ sagt, verdrehen wir nur besserwissend die Augen!

Fernsehen
Patrick Jannack „Nachbarschaft Moritzplatz“,
Offener Kanal Magdeburg

Am Magdeburger Moritzplatz leben viele Menschen unterschiedlicher Kulturen. Die Idee hinter einem dort angesiedelten Integrationsprojekt ist ebenso simpel wie einleuchtend: Essen liebt einfach Jeder! Zwei rumänische, eine syrische und eine deutsche Familie erklärten sich bereit, mit den Filmemachern beim Kochen und Essen zu plaudern. Dabei entstanden Einblicke in den nachbarschaftlichen Alltag, die in ihrer Authentizität und menschlichen Nähe zu den Protagonisten bemerkenswert sind und Verständnis für manchmal schwierige Nachbarschaften schaffen. Der Sendebeitrag aus dem Offenen Kanal Magdeburg ist ein ausgezeichnetes Beispiel für eine gelungene Fernseh-Dokumentation auf hohem Niveau.  

LÄNDERPREISE THÜRINGEN (je 500 Euro)

Hörfunk
Franziska Evelin Krätzschmar „Drei Mal die Welt – Entdecken, Reisen, Handeln“,
Radio LOTTE Weimar

Reisen öffnet den Horizont. Zu allen Zeiten gab es Menschen, die es in die Ferne zog. Ohne diese Reisenden würden wir vielleicht immer noch denken, die Erde sei eine Scheibe. Reisen bildet, es verschafft uns Glücksgefühle, es verspricht Spannung und Abenteuer. Die Autorin des Features ließ sich vom Weltreisenden Georg Forster inspirieren. Und von einem Theaterstück über ihn. Die Neugier auf das Fremde, die gerade bei Jugendlichen sehr ausgeprägt ist, schimmert aus jeder Zeile ihres Textes. Sie nimmt uns mit auf ihre ganz persönliche Entdeckungsreise und macht uns damit neugierig auf die Inszenierung, auf Georg Forster, aufs Reisen, auf die Welt. Und in der Tat sind es die Menschen, die die Kreativität, die Vielfalt und Vitalität, das Herz unserer Welt ausmachen. Und das spiegelt sich nirgends so deutlich wie in den Bürgermedien. Damit steht die Autorin dieses Beitrags exemplarisch für den kreativen Reichtum der Bürger Thüringens und hat dadurch die Jury überzeugt.

Fernsehen
Udo Pein „Unterwegs mit Luther“,
Thüringer Medienbildungszentrum der TLM in Gera

Kann man nach einer zehnjährigen Luther-Dekade mit einer Fülle von Medienprojekten jeder Couleur noch etwas über Martin Luther senden, das noch nicht gesagt und kommentiert wurde? Man kann es offenbar, wenn es atmosphärisch gut gemacht, in sich stimmig ist und spannend erzählt wird. Und die Erzählung ist es, die beide Spaziergänger zusammengeführt hat. Im Mittelpunkt stehen Betrachtungen über Luther, angestellt von einem Juraprofessor und einem evangelischen Pfarrer, die sich ganz offensichtlich vom genius loci des Geraer Lutherweges inspirieren lassen. Inmitten der herbstlichen Natur des Weges und an den herausragenden Luther-Orten in der Stadt rücken für uns bedeutsame Themen der lutherischen Lehre in den Mittelpunkt wie sein Eheverständnis, sein Verständnis von Bildung und Bildungszugang und natürlich von Verantwortung der Herrschenden, alles in einem lockeren Gespräch, ohne pädagogisch oder theologisch belehrenden Unterton. So wie im Bild dominiert auch im Wort eine Atmosphäre der Entdeckung, eine Freude an überraschenden Gemeinsamkeiten oder daran, um welche ungeahnten Dimensionen es sich handelt. In allem schwingt das Alltägliche mit, bis hin zu den unfreiwilligen Spaziergängern im Bild, wodurch es erstaunlich gut gelingt, Luther mit Respekt, aber ganz unprätentiös in unsere Welt zu integrieren.

 

Jurymitglieder:

Grit Hasselmann
Freie Redakteurin beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR)

Prof. Dr. Eckart Lange
Mitglied der Versammlung der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM)

Gerd Köhler
Gremienmitglied der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM)

Andreas Krug
Medienpädagoge


Erstellt am 29.03.2024 13:30:14
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